3.8 Öffentlichkeitsarbeit

Eine Verhaltensänderung der Verkehrsteilnehmer zu einer sozial- und umwelt-verträglichen Mobilität kann nicht erzwungen werden, sondern erfordert einen entsprechenden Bewusstseinswandel. Allerdings beeinflussen oft Bequemlichkeit oder Kostenvorteile das Verkehrsverhalten. Insofern ist eine veränderte Einstellung der Verkehrsteilnehmer eine notwendige, jedoch nicht alleinige Bedingung für einen Wandel des Stadtverkehrs. Damit wird der Stellenwert einer begleitenden Öffentlichkeitsarbeit deutlich.

Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit ist, zu einer bewussten Verkehrsmittelwahl der Verkehrsteilnehmer beizutragen: mehr zu Fuß zu gehen, das Fahrrad oder den Bus bzw. die Bahn zu benutzen und den PKW nur für unverzichtbare Fahrten heranzuziehen. Innerhalb einer breit angelegten Öffentlichkeitsarbeit kommt es insbesondere darauf an, gezielt bestimmte Adressatengruppen anzusprechen, bei denen eine Änderung der Verkehrsmittelwahl am ehesten erreichbar ist und gleichzeitig eine spürbare Wirkung erzeugt. Anzusprechen ist hier z.B. die Gruppe der Berufspendler, denen bei entsprechend attraktiven Angeboten das Umsteigen auf den Umweltverbund nahegelegt werden soll.

Voraussetzung für eine Verhaltensänderung ist die Einsicht. Einsicht erfolgt dabei sowohl auf einer rationalen als auch auf einer emotionalen Ebene. Für das Konzept der Öffentlichkeitsarbeit bedeutet dies, dass alle erforderlichen Informationen bereitgestellt und Diskussionsmöglichkeiten eröffnet werden müssen, um die Sinnhaftigkeit eines sozial- und umweltverträglichen Stadtverkehrs nachvollziehen zu können. Darüber hinaus muss das Thema Stadtverkehr auch emotional besetzt werden. Verhaltensänderungen müssen „in“ sein, d.h. sozial anerkannt.

Diese Zusammenhänge machen deutlich, dass die Öffentlichkeitsarbeit drei Funktionen erfüllen muss, die den Adressaten, wie nachfolgend stichpunktartig angedeutet, übermittelt werden könnte:

I. Informieren und Aufklären

  • Lokale Presse: Pressekonferenzen, regelmäßige Berichterstattung über aktuelle Ereignisse im Verkehrsbereich, Serie zum Thema Stadtverkehr
  • Eigene Zeitung (z.B. mit dem Titel „Neuss-mobil“), sollte in regelmäßigen Abständen (z.B. vierteljähriger Rhythmus) erscheinen
  • Broschüren/Faltblätter zu bestimmten Themenbereichen (z.B. Liniennetzplan des ÖPNV mit Kennzeichnung größerer Fahrradabstellanlagen an Haltestellen zur Förderung von B+R; Radwegenetz mit Abstellanlagen in der Innenstadt)
  • Wanderausstellung (z.B. Bild- und Texttafeln und Videofilme) durch alle Stadtteile und ggf. große Betriebe, Schulen etc.

II. Öffentliche Auseinandersetzung / Diskussion

  • Leserbriefforum in der lokalen Presse
  • Podiumsdiskussionen mit Fachleuten und lokalen Politikern / Interessenvertretern
  • Projekte zum Thema „Stadtverkehr“ in den Schulen, Angebot einer entsprechenden Veranstaltung in der Volkshochschule
  • Wettbewerbe zum Thema Stadtverkehr; künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema (z.B. Fotowettbewerb)

III. Werben / Akzeptanz erzeugen / Verhalten beeinflussen

  • Einsatz von Werbetechniken (z.B. Plakate, Sticker und Aufkleber)
  • Allgemeiner Aktionstag (z.B. Informationsstände, Podiumsdiskussion, Spielangebote und musikalische Unterhaltung)
  • Autofreie Sonntage
  • Einzelaktionen und beispielhafte Einzelmaßnahmen (z.B. Stadtrundfahrt mit dem Fahrrad und Busbenutzung zum Sondertarif an einem Samstag)
  • Informationskampagne für Berufspendler.

Auswahl und Wichtung der Einzelmaßnahmen hängen von den personellen und finanziellen Möglichkeiten ab. Um Kosten zu sparen, sollten schon eingeführte Medien genutzt werden. Dabei ist ein einheitliches Erscheinungsbild (Logo, Layout, Slogan) unverzichtbar, da es den Adressaten die Zuordnung und Wiedererkennbarkeit der einzelnen Themen erleichtert. Leicht verständliche Darstellungen erhöhen die Anschaulichkeit und Informationsaufnahme; aus Gründen der Glaubwürdigkeit sollten auch Konflikte und Widersprüche erkennbar gemacht werden.

Ein positives Bild vom ÖPNV kann z.B. dadurch geschaffen werden, dass Meinungsbildner (Politiker, Verbands-/Vereinsvorsitzende, Schützenkönige, bekannte Persönlichkeiten wie z.B. Sportler) offensiv den ÖPNV nutzen, in Fahrzeugen Sprechstunden abgehalten werden, lokale Bekanntheiten die Haltestellenansage in Bussen sprechen usw.

Der Rhein-Kreis Neuss hat sich zum Ziel gesetzt, als „Fahrradfreundliche Stadt“ anerkannt zu werden. Neben der Schaffung der baulichen Anlagen als Radwegeverbindung oder als Abstellanlage, gehört hierzu auch ein positives Gesamtklima. Diese positive Gesamteinstellung kann u. a. durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit begünstigt werden.

Durch die Einweihung der Radstation am Hauptbahnhof Neuss ist hier durch gezielte PR-Arbeit bereits ein Impuls zur Förderung des Radverkehrs erfolgt, den es gilt, weiter ausbauen, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Gezielte Informationen zu vorhandenen Radwegeverbindungen und öffentlichen Abstellanlagen, Wegweisungen zu den entsprechenden Anlagen bzw. Zielen können Maßnahmen sein, den Radverkehr weiter zu fördern.

Diese Informationen können auch Zielgruppen-spezifisch gestaltet werden, um einzelne Nutzungsaspekte oder z.B. die positiven gesundheitlichen Wirkungen des Radfahrens gezielt hervorzuheben. Zielgruppen können neben den allgemeinen Gruppen der Alltags- und Freizeitnutzer auch altersbezogene Personengruppen, wie z.B. Jugendliche und Senioren sein, denen gezielt die Vorteile des Radfahrens näher gebracht werden können.

Die beschriebenen Aktionen und Möglichkeiten können im Rahmen einer Mobilitätszentrale gebündelt und organisiert werden. Ziel einer Mobilitätszentrale ist es, vorrangig Zugangshemmnisse durch Fahrplan- und Tarifauskünfte abzubauen und den ÖPNV und sein Image zu fördern. Sie kann aber auch zur Bewusstseinsbildung für den gesamten Verkehrsbereich genutzt werden. Außerdem soll sie die Bildung von Fahrgemeinschaften unterstützen. Die Einrichtung und der Betrieb einer eigenständigen Mobilitätszentrale ist aufgrund des Personal- und Raumbedarfs mit Kosten verbunden, so dass eine Einrichtung gut vorbereitet und konsensual getragen sein sollte. Im nachfolgenden sind Informationen zu Mobilitätszentralen, ihren Aufgaben und Grundvoraussetzungen zusammengestellt.

Mobilitätszentrale

Eine Mobilitätszentrale verfolgt das Ziel, die Bewusstseinsbildung anzustoßen und zu einer Verhaltensänderung in die Richtung einer Wahl umweltgerechter Verkehrsmittel beizutragen. Sie soll den Umweltverbund stärken, den Pkw-Besetzungsgrad durch Fahrgemeinschaften erhöhen und Informationen über den ÖPNV vermitteln und ihm dadurch Kunden zuführen.

Durch das Nebeneinander verschiedener Verkehrsunternehmen im Regionalverkehr, die nur einzelne Linien betreiben, entsteht eine unübersichtliche Organisation des ÖPNV. Die herkömmliche Fahrgastinformation ist für ungeübte Kunden nicht geeignet, da sie nicht umfassend genug informiert. Die Bahnauskunft ist von den Schalterzeiten der Bahnhöfe und den Öffnungszeiten der Reisebüros abhängig. Es fehlt ein Ansprechpartner in allen Mobilitätsfragen, der über die normale Bahnauskunft hinaus für alle ÖV-Systeme Beratung und Informationen – auch außerhalb von Neuss und dem VRR – anbietet und persönliche Start-Ziel-Fahrpläne erstellt.

Die Mobilitätszentrale tritt als vermittelnde Stelle zwischen den Fahrtwünschen der Kunden und dem Fahrtenangebot auf. Sie ordnet die Angebote und kann den Mobilitätswünschen durch die Vermittlung einer individuellen Lösung entsprechen. Die Hauptaufgabenbereiche der Mobilitätszentrale liegen deshalb in der Werbung für verkehrsmindernde Verhaltensweisen (z.B. Carsharing), der Koordination von Fahrgemeinschaften (z.B. Organisation, Beratung zum Versicherungsschutz und Angebote an Unternehmen über Organisation von Fahrgemeinschaften) und in der Information über Angebote im öffentlichen Verkehr (z.B. telefonische Information und persönliche Reisekette von Start- bis Zielhaltestelle). Die Kunden werden über systembedingte Nachteile eines Verkehrsträgers und Möglichkeiten der Kompensation durch die Vorteile eines anderen neutral beraten.

Eine Fahrgemeinschaftsbörse für berufliche und private Mobilität bietet die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zwischen bestimmten Gesellschaftsgruppen (z.B. Single und Familien). Sie hat die Aufgabe, Carsharing zu vermitteln und spezielle Angebote für saisonbedingte Reisewünsche (z.B. Urlaub und Tagesausflüge) und Sonderfahrten zu Veranstaltungen (z.B. Kombiticket) anzubieten.

Das Angebot einer Mobilitätszentrale kann noch ausgedehnt werden:

  • Fahrkartenverkauf
  • Auskünfte zur Verkehrslage und zu Verkehrsnachrichten
  • Zustelldienste für den örtlichen Einzelhandel
  • Sozial- und Hilfsdienste für ältere und pflegebedürftige Menschen
  • Entlastungsdienste zu Spitzenzeiten (Veranstaltungen)
  • Fahrradverleih
  • Anlaufstelle für Beschwerden bzw. Probleme.

Die Einführung einer Mobilitätszentrale setzt eine Initiierung durch Stadt- oder Kreisverwaltung voraus. Die Verkehrsbetriebe sollten aufgrund ihrer Erfahrung die organisatorische Planung übernehmen. Es ist eine handelnde und koordinierende Stelle einzurichten, bei der alle Informationen zusammenlaufen und welche den Aufbau der Zentrale mit ihrer Organisation übernimmt. Konzessionsrechtliche Fragen sind zu klären und die Kosten abzuschätzen.

Die Öffentlichkeitsarbeit zur Einrichtung einer Mobilitätszentrale setzt sich aus der Organisation von Veranstaltungen (z.B. Eröffnungsfest), der Präsentation in der Öffentlichkeit und einem einheitlichen Design zusammen. Hinweisschilder an wichtigen Haltestellen und in den Fahrzeugen des ÖPNV weisen auf das Vorhandensein einer Mobilitätszentrale hin.