21.03.2000 - 10. Shakespeare Festival im Globe Neuss

Eindrucksvolle Theatererlebnisse verspricht auch in diesem Jahr...

... das mittlerweile 10. Shakespeare Festival im Globe Theater Neuss. Vom 31. Mai bis zum 27. Juni 2000 spielen neun internationale Compagnien im Globe an der Neusser Galopprennbahn und erwecken - in der unverwechselbaren Atmosphäre des Londoner Theaternachbaus - Shakespeares Werke wieder zum Leben. In deutscher, englischer, französischer und spanischer Sprache oder ganz ohne Worte, wie die georgische Compagnie Mimodram aus Tiflis, werden die ewig jungen Stücke über Liebe, Eifersucht und Macht auf die Bühne gebracht. Ermöglicht wird das diesjährige Shakespeare Festival, mit NRW- und deutschen Erstaufführungen, durch die ISIS Multimedia Net GmbH und dem Freundeskreis des Globe.

Zum Auftakt des 10. Shakespeare Festivals versetzt die bremer shakespeare company am 31. Mai und 1. Juni das Globe in Partystimmung. „Timon von Athen“ handelt von dem reichen Menschenfreund, der seine falschen Freunde so großzügig bewirtet, bis er selbst kein Geld mehr hat. Da den Bedürftigen nun niemand unterstützen will, entwickelt sich der Philanthrop zum rasenden Roller und Menschenhasser. Die tragische Geschichte eines missglückten Daseins in einer Inszenierung, die das antike Griechenland recht heutig erscheinen läßt... Die bremer shakespeare company, die im letzten Jahr den Deutschen Kritikerpreis erhalten hat, ist am 19. und 20. Juni dann mit „König Lear“ zum zweiten Mal in diesem Jahr im Globe zu sehen. Das Stück vom König, der sein Reich unter seine drei Töchter aufteilt, dabei ihre Liebe zu ihm auf die Probe stellt und, geblendet von den Schmeicheleien der beiden älteren, die jüngste, von ihm am meisten geliebte Tochter, enterbt und verstößt, verarbeitet alte Märchenmotive. Von den beiden Heuchlerinnen entrechtet und dem Elend preisgegeben, wird der König schließlich von der Jüngsten gerettet. Shakespeare zeigt eine apokalyptische Welt voll irrationaler Grausamkeiten, in der die Guten genau so elend zugrunde gehen wie die Bösen. Der Shakespeare Forscher Jan Kott behauptet, dass dieses Stück Shakespeares hoffnungsloseste Tragödie ist, zugleich grotesk und ergreifend. Ein drittes Mal sind die bremer in einer Coproduktion mit der Annette Leday Compagnie aus Frankreich/Indien beim diesjährigen Festival. Die beiden Truppen begegneten sich 1992 im Globe Neuss: Die Annette Leday Compagnie, manchem noch mit dem sensationellen Kathakali King Lear in Erinnerung, produziert zusammen mit der bremer shakespeare company den „Sturm“: Ort des Geschehens ist eine tropische Insel im Zeitalter des Hochkolonialismus, deren Einwohner die indischen Tänzer darstellen. Die „bremer“ als westliche Eindringliche regieren die Insel unter Prosperos Führung mit einer Mischung aus Repression und dem Versprechen möglicher Freiheit. Da landet eine weitere Gruppe von Europäern.... Eine aufregende Begegnung zwischen westlichem Schauspiel und indischer Tanzästhetik.

Gelacht werden darf bei „Die lustigen Weibern von Windsor“ in einer Inszenierung der  Folkwang Hochschule Essen in Coprodukton mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen. Am 2. und 3. Juni schlagen sich Falstaff und seine Clique in Windsor mit Tagediebereien durchs Leben. Um an Geld zu kommen, versucht sich Falstaff als Liebhaber und schreibt den verheirateten Bürgersfrauen Furt und Page zwei gleichlautende Liebesbriefe, in denen er beiden seine unteilbare Liebe versichert. Als das Doppelspiel von den Damen entdeckt wird, beschließen sie, mit ihm ein böses Spiel zu treiben.

Das Rheinische Landestheater Neuss ist beim diesjährigen Shakespeare Festival mit „Shakespeare’s Sämtliche Werke (leicht gekürzt)“ am 5. und 6. Juni sowie „Viel Lärm um Nichts“ am 9. Juni zu sehen. Shakespeare’s Sämtliche Werke, ein Stück aus der Feder dreier pfiffiger Amerikaner war im letzten Jahr ein solcher Erfolg, daß das RLT es für das Jubiläumsfestival noch einmal aufnimmt, um das Publikum mit drei Schauspielern durch die 37 Shakespeare-Stücke zu jagen. Der ultimative Schnellkurs für die, denen Shakespeare sonst oft zu lang ist. Mit Viel Lärm um Nichts schießt das Rheinische Landestheater am 9. Juni ein komödiantisches Feuerwerk ab. Hero und Claudio stehen vor dem Traualtar - doch statt sein Ja-Wort zu geben, verstößt Claudio seine Braut, weil sein Halbbruder Don Pedro eine gemeine Intrige angezettelt hat. Und auch Benedikt und Beatrice sind eigentlich wie füreinander geschaffen, doch sie geben sich beide als Verächter des jeweils anderen Geschlechts und kreuzen ihre Zungen nicht beim Küssen, sondern in heftigen, spitzen Wortduellen.

Bereits vorher am 7. und 8. Juni ist Viel Lärm um Nichts in englischer Sprache beim diesjährigen Shakespeare Festival zu erleben. „Much Ado about Nothing“ in einer Aufführung von Northern Broadsides aus Halifax in England handelt, wie sollte es bei Shakespeare anders sein, von argen Verwechselungen und Rivalitäten. Die Compagnie aus Halifax in England legte bereits einmal vor Jahren im Globe einen herrlichen Sommernachtstraum hin und läßt die Rezeptur von Charm, Spontanität und English Country dance and music auch in diese neue Inszenierung einfließen.

„Viel Lärm“ zum dritten gibt es mit der Compagnie Casalibus aus Paris. „Beaucoup de Bruit pour rien“ wurde mit großem Erfolg im letzten Sommer auf dem Avignon OFF-Festival gezeigt. Junge Schauspieler und Schauspielerinnen liefern eine schöne kostümierte und mit Verve gespielte Aufführung dieses berühmten Geschlechterkampfs, die dank ihrer Bildkraft auch ohne vertiefte Französischkenntnisse mit Vergnügen verfolgt werden kann. Mit Musik und Düften, Licht und Farben werden alle Sinne des Zuschauers am 14. Juni zum Miterleben animiert.

Mittlerweile fast unverzichtbar ist die Lecture von Patrick Spottswoode, dem Leiter des educational department  des Globe London. In seinem rhetorisch und schauspielerisch brilliant präsentierten Vortrag gibt er eine Einführung in Shakespeares Leben und Werk. Damit vermittelt er lebendige Einblicke in die politischen und sozialen Hintergründe des elisabethanischen Theaters (15. Juni 2000).

Ganz ohne Worte kommt die Compagnie Mimodram aus Tiflis in ihrer „Hamlet“-Version am 16. Juni aus. In einer Synthese aus verschiedenen Bewegungsstilen entsteht ein ungewöhnliches Schauspiel auf der Grenze zwischen Tanz und Pantomime mit Musik von Klassik bis Drum & Bass. Im Wechsel von konkreter Erzählung und abstrakten Ritualen kreiert die in der osteuropäischen Tradition stehende Inszenierung von Kacha Backuradze ein Theaterereignis, das schon vielerorts, vor allem auch beim jüngeren Publikum, begeisterte Aufnahme fand.

In der immer lebendiger werdenden Theaterszene von Buenos Aires gibt es nun auch eine Shakespeare Compagnie, die mit ihrer Fassung des Wintermärchens Furore macht und dem 10. Shakespeare Festival noch mehr internationalen Glanz verleiht. Eine klare, reine Inszenierung des „Cuento de Invierno“ der Compañia Shakespeare de Buenos Aires am 18. Juni, die mit der Globe Kulisse und einer Kabelrolle als Bühnenbild auskommt. Es verbindet sich die elisabethanische Bühnentradition in ihren - hier iberoamerikanisch ausgelebten komödiantischen Aspekten mit geradezu Beckett’scher Tragikomik - ein vielversprechender Ansatz für das Wintermärchen, seinen tragischen Beginn, sein komisches Zwischenspiel und seine melancholische Auflösung.

Am 22., 23. und 24. Juni 2000 stellt sich Guy Retallac, der Regisseur des sensationellen „Richard III“ vor zwei Jahren im Globe, mit einer eigenen Companie vor. Wild Thyme Productions aus London präsentiert einen brandneuen „Sommernachtstraum“ im zeitgenössischen Gewand: Die so schön geplante Millenniumsparty geht rüde zu Ende, Thesens ordentliche Welt stolpert ins Chaos, die Jugend flieht in scheinbar rechtsfreie Räume und gerät dank einer ebenfalls verwirrten Magie in eine Dynamik des Verfalls, aus der allein die ausgesöhnten Götter sie wieder retten können... . Am Ende wird alles wieder gut, aber welch einen aufregenden Traum durchleben die Liebenden und die Zuschauer in Shakespeares meist gespieltem und beliebtesten Stück, das nach all den Jahren so humorvoll, so poetisch, so traumschön ist wie am ersten Tag.

Weitere Informationen zum 10. Shakespeare Festival im Globe Neuss sind beim Kulturamt der Stadt Neuss unter der Telefonnummer 02131/90-4111 und 90-4110 sowie im Internet unter www.widd.de/shakespeare.globe und www.neuss.de erhältlich. Der Kartenvorverkauf beginnt am 27. März 2000 bei der Tourist-Information, am Markt in Neuss und bei allen weiteren an das NRW-Ticket-System angeschlossenen Vorverkaufsstellen.
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