03.07.2009 - Buchvorstellung: DRINCK VND EST, GOTS NIT FERGES

Neuss (PN/Sev). Das Clemens-Sels-Museum Neuss hat sich Zusammen mit einem Team von Wissenschaftlern auf die Suche nach den spätmittelalterlichen Wurzeln der heutigen „food city neuss“ begeben.

Die Ergebnisse sind jetzt in einem Aufsatzband mit dem Titel „DRINCK VND EST, GOTS NIT FERGES“ (Trinkt und esst, vergesst aber Gott nicht!) nachzulesen.
Die Frage, was Menschen in Neuss vor 500 Jahren aßen, war nur durch umfangreiche Quellenrecherchen zu beantworten, denn Kochbücher oder Speisepläne des späten Mittelalters oder der Frühen Neuzeit sind aus der Quirinusstadt nicht überliefert. Dabei lieferten nicht nur die Schriftquellen, sondern vor allem auch bei archäologischen Ausgrabungen entdeckte Keramikfragmente, Tier- und Pflanzenreste sowie Herdstellen Informationen über das in Neuss verzehrte Essen.
Heute ist die Stadt Neuss Standort marktführender Produzenten der Ernährungsindustrie. Die internationalen Verflechtungen dieses Gewerbezweiges verdeutlicht der Slogan „food city“. Fast alle heutigen Sparten der Neusser Ernährungsindustrie waren bereits vor über 500 Jahren vertreten. Zu ihnen zählen vor allem der Getreidehandel, die Sauerkrautproduktion und die vielen Mühlen, darunter seit dem 15. Jahrhundert auch viele Ölmühlen. Eine historisch bedeutende Rolle spielte das Brauereigewerbe, waren es doch vor allem die Neusser Brauer, die das heutige Altbier maßgeblich mitentwickelten. Mit den „Neusser Kuchen“ besaß Neuss sogar ein Alleinstellungsmerkmal in der Region. Hinweise auf Lebensmittel zumeist finden sich in den schriftlichen Überlieferungen des 15. und 16. Jahrhunderts nur indirekt. Eine wichtige Quelle für die Ernährung der Menschen in Neuss sind die Rechnungsbücher des Gasthauses zum Heiligen Geist. In dem Hospital der Stadt, in der Kranke, Arme und Alte betreut wurden, führte man nämlich über die Einnahmen und Ausgaben minutiös Buch. Die von 1581 an erhaltenen Rechnungsbücher liefern eine Fülle von Informationen insbesondere über die für die Versorgung der Bedürftigen gekauften Lebensmittel und die Bewirtschaftung der Ländereien des Hospitals. Auch in den Dokumenten des Pfarrarchivs St. Quirin in Neuss finden sich Angaben zu Lebensmitteln und Speisen. Ein umfangreiches Spesenbuch hält die im Herbst 1572 bei einer Reise von Stiftsangehörigen nach Boppard verzehrten Lebensmittel fest, während Rechnungen aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts Speisen auflisteten, die im Stift St. Quirin bei den Feierlichkeiten zur Wahl einer neuen Äbtissin auf den Tisch kamen. Auch viele Einträge der Neusser Stadtrechnungen und Akziseordnungen beziehen sich auf den Handel mit Getreide, Fleisch oder Hülsenfrüchten oder auf die Bewirtung von Gästen der Stadt. Konkrete Speisefolgen nennen hingegen die Zunftordnungen der Neusser Handwerker. Sie schreiben vor, was jeweils bei der Einführung eines neuen Zunftmeisters serviert werden sollte. Reste von Speisepflanzen haben sich in Neuss in vielen mit Abfall verfüllten Brunnen- oder Kloakenschächten erhalten. Als einer der Pioniere auf dem Gebiet der Archäobotanik hat der Neusser Biologe Karl-Heinz Knörzer in den 1960er bis 1990er Jahre eine große Menge pflanzlicher Reste aus Neuss untersucht. Seine Arbeiten werden heute vom Labor für Archäobotanik der Universität zu Köln fortgeführt. Bei den von der Neusser Bodendenkmalpflege seit Mitte der 1980er Jahren durchgeführten Ausgrabungen kamen auch Tierknochen in großen Mengen ans Tageslicht; sie geben Auskunft über den Fleischkonsum der alten Neusser. Über das in Neuss vorhandene Koch-, Vorrats- und Essgeschirr informieren gleichermaßen schriftliche und archäologische Quellen, die zwar unterschiedliche Informationen liefern, aber zusammen betrachtet ein gutes Bild von der Ausstattung der Neusser Küchen im 16. bis 17. Jahrhundert geben. Weiter Informationen im Internet unter www.clemens-sels-musuem.de
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