14.08.2009 - Vor- und Nachteile unterschiedlicher Radverkehrsanlagen

Neuss (PN/Fi). Die Verkehrssicherheit von Radfahrern wird maßgeblich dadurch bestimmt, dass diese immer im Blickfeld der Autofahrer bleiben müssen.

Daher werden auf Stadtstraßen mit geringen Verkehrsmengen, in verkehrsberuhigten Bereichen („Spielstraße“) und in Tempo-30-Zonen grundsätzlich keine separaten Radverkehrsanlagen angelegt. An Hauptverkehrsstraßen oder Straßen mit höherer Verkehrsbedeutung und außerhalb geschlossener Ortschaften muss im Einzelfall geprüft werden, ob separate Radverkehrsanlagen eingerichtet werden sollten und welche Art der Radfahrerführung gewählt wird. Bürgermeister Herbert Napp und Baudezernent Stefan Pfitzer haben sich jetzt gemeinsam mit Dr. Heribert Adamsky vom ADFC Neuss die Situation an der Jülicher Straße angesehen und die unterschiedlichen Radwege-Konzepte vorgestellt.

An Stadtstraßen werden prinzipiell drei Typen von Radverkehrsanlagen unterschieden. Eine klassische und weit verbreitete Lösung sind die baulichen Radwege. Beispiele hierfür sind die Viersener-, die Venloer- und die Further Straße sowie die Bonner-, Kölner-, Weber- und die Weingartstraße. Radwege sind insbesondere dann unter Verkehrssicherheitsaspekten kritisch zu sehen, wenn diese hinter Parkstreifen verlaufen. Unfallanalysen haben gezeigt, dass insbesondere an Einmündungen, Kreuzungen und Grundstücks- bzw. Garagenzufahrten oft schwere Unfälle passieren, da Fahrzeuglenker die Radfahrer nicht oder zu spät erkennen. Zum Teil ist dies auch darin begründet, dass Radfahrer den Radweg in der „falschen“ Richtung benutzen. Die Gefahr, als Radfahrer auf einem Radweg einen Unfall zu haben, ist beim Fahren in der falschen Richtung etwa sieben Mal höher, als in richtigen Richtung. Daher sollen möglichst auch keine einseitigen 2-Richtungsradwege gebaut werden, die das Fahren auf der „falschen“ Seite legalisieren. Problematisch sind Radwege auch dann, wenn diese zulasten der Gehwege eingerichtet werden. Dann entstehen Konflikte zwischen Fußgängern und Radfahrern. Kritische Situationen sind auch oft an Haltestellen zu beobachten. Radwege sind aber nicht per se unsicher. Entscheidend ist die „richtige“ Planung. An der Further Straße werden nach der derzeit laufenden Kanalsanierung wieder Radwege hergestellt. Hier verlaufen allerdings große Teile der Radwege direkt am Fahrbahnrand, also im Blickfeld des Fahrzeuglenkers. An Haltestellen verschwenken die Radwege hinter die Wartefläche oder werden als kurzer Radfahrstreifen auf der Fahrbahn weiter geführt.

Im Gegensatz zu Radwegen werden Radfahrstreifen auf der Fahrbahn abmarkiert. Beispiele hierfür sind die Friedrich-, und die Zollstraße sowie die Jülicher Straße. Radfahrstreifen dürfen von Fahrzeugen grundsätzlich nicht befahren werden. Ausnahmen gelten nur für Grundstücks- oder Garagenzufahrten, für Parkplätze und Lade-/Lieferzonen. Die Fahrspuren für den motorisierten Verkehr haben ganz „normale“ Abmessungen. Vor Allem Verkehrssicherheitsaspekte sprechen für den Einsatz von Radfahrstreifen, manchmal aber auch Kostenaspekte. Das Abmarkieren der Radfahrstreifen auf der Jülicher Straße hat nur einen Bruchteil von dem gekostet, was der Bau von Radwegen gekostet hätte.

Wenn Radverkehrsanlagen ohne Umbaumaßnahmen hergestellt werden sollen, kann das Instrument der Schutzstreifen eine Lösung darstellen. Schutzstreifen werden auch auf der Fahrbahn abmarkiert, dürfen aber – im Gegensatz zu den Radfahrstreifen – von großen Fahrzeugen wie Bussen und Lkws im Begegnungsfall überfahren werden. In Neuss finden sich Schutzstreifen in der Erftstraße, der Fesserstraße, der Buschstraße, der Reuschenberger Straße und demnächst auch in der Kaarster Straße.

Die aktuellen Regelwerke für die Verkehrsplanung stufen alle drei Typen der Radverkehrsanlagen als gleichrangig ein. Abhängig von den Rahmenbedingungen wie Verkehrsstärke, Lkw-Anteil, Querschnittsbreite, Anzahl Radfahrer oder Stellplätzen wird immer im Einzelfall geprüft, welche Lösung am sinnvollsten ist. In der Kaarster Straße hätte beispielsweise der Bau von Radwegen zum Wegfall eines kompletten Parkstreifens oder des Grünstreifens mit allen Bäumen geführt. Mithilfe der Schutzstreifen können nun Radverkehrsanlagen geschaffen werden, die nur kleine bauliche Anpassungen erfordern. Auch wenn die Restfahrbahnbreite gegenüber bisher deutlich schmaler wird, so bleibt doch die Leistungsfähigkeit der Straße erhalten und die Verkehrssicherheit für Radfahrer, aber auch alle anderen Verkehrsteilnehmer, wird erhöht.

Auch an Radwege werden Anforderungen hinsichtlich der Einhaltung von Mindestkriterien gestellt. Neben der Radwegbreite spielt insbesondere der bauliche Zustand eine wichtige Rolle. Wenn die Benutzbarkeit von Radwegen nicht mehr zumutbar ist, muss die Verwaltung prüfen, ob der Radverkehr alternativ sicher auf der Fahrbahn abgewickelt werden kann. Wird dies „bejaht“, werden die blauen Radwegeschilder entfernt und damit entfällt die Benutzungspflicht dieser Radwege. Diese Radwege werden im Fachjargon „andere Radwege“ genannt, die nicht benutzt werden müssen, aber weiterhin benutzt werden dürfen. So wurde beispielsweise an der Schiller-/Dreikönigenstraße verfahren. Hier ist das Radfahren sowohl auf der Fahrbahn als auch auf den alten Radwegen erlaubt. Auch auf der Further Straße mussten bis zum Beginn des Umbaus die Radwege nicht benutzt werden. Manche Autofahrer reagieren jedoch, oft aus Unkenntnis, mit Unverständnis auf Radfahrer auf der Fahrbahn – „der soll gefälligst auf dem Radweg fahren“. Daher benutzen die Radfahrer in solchen Fällen in der Regel doch die, manchmal dann weniger sicheren, Radwege. Insofern legt die Verwaltung nicht nur den Fokus auf den Neubau von Radverkehrsanlagen, sondern auch auf die Ertüchtigung bestehender alter, schlechter und mitunter unsicherer Radwege.

Aktuell sind verschiedene Radverkehrsprojekte in der Umsetzung oder zeitnah geplant:
- Further Straße zwischen Berliner Platz und Zufuhrstraße, im Bau
- Bergheimer Straße stadteinwärts zwischen Steubenstraße und S-Bf. Neuss-Süd, im Bau
- Weberstraße stadteinwärts zwischen Steubenstraße und DB-Brücke, Sanierung, im Bau
- Bonner Straße Lückenschluss zwischen Hüsenstraße und Kasterstraße, im Bau
- Bergheimer Straße stadtauswärts zwischen Weberstraße und Hubertusweg, 2009
- Jülicher Straße, Lückenschluss vor dem Friedrich-Ebert-Platz, 2009
- Kaarster Straße zwischen Brückerfeldstraße und Brücke, 2010
- neue Abstellanlagen in der Innenstadt, 2009/2010

Der Anteil des Radverkehrs hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Vor Allem für kurze Wege ist das Fahrrad oftmals das schnellste Verkehrsmittel, nicht zuletzt weil die Parkplatzsuche entfällt. Neuss ist für das Radfahren optimal: Aufgrund der Stadtgröße sind die Entfernungen in die Innenstadt bzw. die Stadtteilzentren und andere Ziele wie Schulen, Arbeitsplätze, Behörden etc. gering und dank der Topographie müssen selten Steigungen überwunden werden. Radfahren ist nicht nur ein Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz, sondern fördert außerdem die Gesundheit.
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