07.06.2013 - Altbier Ausstellung

Mit der Eröffnung seiner Ausstellung "Als das Altbier noch jung war" gibt das Clemens-Sels-Museum am 9. Juni 2013...

..zugleich den Startschuss für das Veranstaltungsprojekt "Limburgisch-Niederrheinische ALTernativen", an der bis zum 21. April 2014 rund 50 Museen, Kulturstätten und Brauereien beteiligt sind. Das Museum am Obertor bietet einen kurz-weiligen Überblick über die Geschichte des Altbieres von der Antike bis heute, während die Museen unter anderem aus Krefeld, Kleve, Wesel, Mönchengladbach sowie aus Limburg und der Venlo-Region die unterschiedlichsten Aspekte des Bierbrauens und -trinkens sowie des Feierns beleuchten.

Als die Römer Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. an den Rhein kamen, trafen sie auf ein Getränk, das sie zwar bereits kannten, aber nicht sonderlich schätzten: Bier. Sie waren an den Geschmack von Wein gewöhnt, den sie zumeist mit Wasser verdünnt tranken. Obwohl sich die Römer mit der barbarischen „cervisia“ nie so recht anfreunden konnten, überlebte die Kunst des Bierbrauens letztlich doch das Ende des Römischen Reichs. „Über die ersten Jahrhunderte unmittelbar nach dem Zusammenbruch der römischen Staatsgewalt in Mitteleuropa wissen wir nur wenig, doch wurde sicher auch in der Merowingerzeit am Niederrhein Bier gebraut und getrunken“, sagt Kurator Dr. Carl Pause.

Karl der Große zählte Bier zu den Produkten, die auf seinen Krongütern hergestellt werden sollten. Anfang des 9. Jahrhunderts erließ er eine Verordnung zur Bewirtschaftung der Königsgüter, das „Capitulare de villis“, in der sich ein entsprechender Passus findet. Bier zählte also bereits im frühen Mittelalter zu den Grundnahrungsmitteln. Allerdings war in den links-rheinischen Gebieten nicht das Gerstengetränk der Germanen, sondern der Traubensaft der Römer bis in die Frühe Neuzeit hinein das Hauptgetränk. Im Mittelalter konsumierte vermutlich jeder Mensch im Durchschnitt 1,5 bis zwei Liter Bier täglich. Handwerker oder Mönche tranken sogar bis zu fünf Liter am Tag. Allerdings enthielt dieses Bier nur sehr wenig Alkohol. Man trank es auch nicht als Genussmittel, sondern stillte mit ihm Hunger und Durst.
Der Konsum alkoholischer Getränke wie Bier besaß in Deutschland während des Mittelalters und der Frühen Neuzeit auch eine wichtige gesellschaftliche Bedeutung – und zwar quer durch alle Bevölkerungsschichten. Dies galt vor allem für die Städte, wie sich gut an der Entwicklung von Bierkrügen und -bechern aus Steinzeug ablesen lässt, die zeitlich mit dem Aufkommen der Städte im 13. Jahrhundert zusammenfällt. Bei gemeinsamen Feiern und Zusammenkünften aß man nicht nur zusammen, sondern man trank sich auf das gegenseitige Wohl zu. Auch Vertragsabschlüsse mussten gebührlich „begossen“ werden. „Gemeinsames Biertrinken war also nicht nur eine der wichtigsten Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, sondern diente auch der Förderung des sozialen Zusammenhalts“, so Dr. Pause weiter. Vor diesem Hintergrund spielten die Gaststätten am Niederrhein schon im Mittelalter eine wichtige Rolle als Ort des Konsums, Treffpunkt und Informationsbörse. Der Gang in die Wirtschaft nach der Arbeit oder nach dem Kirchgang war in der Stadt ebenso üblich wie auf dem Dorf. Bis zur Einführung des industriellen Flaschenbiers gab es frisches Bier nur in der Wirtschaft. Zwar konnte man Bier in offenen Kannen oder Siphonflaschen nach Hause transportieren, doch kam es hier zumeist warm und ohne Kohlensäure an. Entsprechend hoch war die Kneipendichte: Auf etwa 150 Einwohner kam am Niederrhein eine Gaststätte. 

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen sich viele Gastwirtschaften als Restaurants, Hotels, Ausflugslokale, Tanzlokale und Kaffeewirtschaften zu spezialisieren. Damals entwickelte sich die „typische“ Altbierkneipe am Niederrhein. In der Nachkriegszeit nahm die Zahl der Hausbrauereien immer mehr ab. Ihr traditioneller Stil galt vielen nun als „altbacken“. Inzwi-schen sind aber die Hausbrauereien in Düsseldorf, aber auch an anderen Orten mit ihrem Altbier wieder zum Imageträger für die ganze Region geworden. „Die Neusser Gaststätte und Hausbrauerei „Im Dom“ ist nachgewiesen die zweitälteste Altbierbrauerei der Welt“, weiß Pause. Ihre Ursprünge reichen bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts zurück: 1607 wird in der Neusser Stadtrechnung ein Veit Kirchoff als Brauer aufgeführt. Mit einem jährlichen Verbrauch von 66 Sack Malz war er der größte Brauer der Stadt.  Das ganze 17. und 18. Jahrhundert hindurch war das Haus »Im Dom« von Bäckern und Brauern bewohnt, die häufig auch das Braueramt innehatten. Anfang des 19. Jahrhunderts erwarb die Familie Wiertz das Anwesen, in deren Besitz es immer noch ist. Die Brauerei „Im Dom“ ist heute die letzte noch aktive Brauerei in Neuss. 
Die Ausstellung kann zu den üblichen Öffnungszeiten des Museums, dienstags bis samstags von 11 bis 17 Uhr, sowie sonn- und feiertags von 11 bis 18 Uhr besichtigt werden.
Weitere Informationen unter www.clemens-sels-museum-neuss.de.

Passend zum Auftakt des umfassenden Projektes des Museumsnetzwerkes Niederrhein hat der Greven Verlag aus Köln eine Publikation "So schmeckt Heimat" der beiden Neusser Kuratoren Dr. Carl Pause und Dr. Britta Spies zum Preis von 19,90 Euro auf den Markt gebracht.