05.11.2004 - Himmlischer Duft und irdische Typen - Weihnachtsausstellung mit erzgebirgischen Räucherfiguren aus der Sammlung Voswinkel im Clemens-Sels-Museum

Neuss (PN/Fi). Räuchermännchen aus dem Erzgebirge begeistern auf den Weihnachtsmärkten das Publikum und bereichern das weihnachtlich geschmückte Haus.

Zusätzlich lassen sich mit Duftkerzen im Inneren der kleinen Gesellen aus Holz Tannen- und Weihraucharomen verbreiten, wodurch für viele eine himmlische Stimmung entsteht. Präziser ist aber der Begriff Räucherfigur, da in dieser kleinen Welt auch weibliche Gestalten sowie Häuser, Pilze und andere Gebilde existieren. Das Clemens-Sels-Museum zeigt ab Sonntag, 14. November 2004, bis zum 6. Februar 2005 die Vielfalt der Typen und deren Geschichte an Hand der Sammlung Voswinkel aus Wuppertal. Außerdem sind Objekte aus den Sammlungen Lückert und Skalnik zu sehen. Die Schau verharrt jedoch nicht bei einer weihnachtlich geprägten Präsentation. Vielmehr werden kulturhistorische Dimensionen verdeutlicht, die gerade den Popularisierungsprozess der Figuren betreffen. Im Vordergrund steht zu Beginn der Strukturwandel seit dem 18. Jahrhundert, also die Aufgabe des Bergbaus und die Ausprägung einer Hausindustrie für Spielwaren. Dabei lernte das Erzgebirge von anderen Regionen und übernahm teilweise deren Erzeugnisse. Hierzu gehören die Räucherfiguren, die man in Thüringen als Anschauungsspielzeug produzierte. Im Erzgebirge kamen sie um 1850 auf. Zuerst soll der Spielzeugmacher Ferdinand Frohs die "Raachermannl" gedrechselt haben. Wie die Lichterengel, Nussknacker und Weihnachtspyramiden, so wurden auch die Räucherfiguren zu Erzeugnissen, die für das Kunstgewerbe des Erzgebirges stehen und bald den Weg in die weihnachtlichen Stuben fanden, was den Absatz förderte. Zuvor hatte das Gewerbe zwischen 1820 und 1850 einen Niedergang erlebt. Wegen der Konkurrenz mit anderen Regionen sowie der Zoll- und Materialpreiserhöhungen wurde nun billige Massenware hergestellt. Verschärfend wirkte die Gewerbefreiheit. Da jeder produzieren konnte, drückte der Handel die Preise. Zur Steigerung von Qualität und Absatz kam es seit 1852 zur Gründung von Kunstgewerbeschulen, die Kurse im Holzdrechseln, Malen und zur Produktentwicklung anboten. Ende des 19. Jahrhunderts erlebte das Erzgebirge wegen des Aufkommens des Blechspielzeugs, der Holzpreissteigerungen sowie der Konkurrenz mit Imitaten aus Japan eine weitere Krise. Die Zahl der Hersteller sank vor dem 1. Weltkrieg dramatisch, so dass das Land Sachsen das Aussterben des Gewerbes befürchtete. Zur Abhilfe schlug man eine Verbesserung der Formen vor, um so eine "echte Volkskunst" zu schaffen. Zugleich sollten die Konsumenten befähigt werden, diese zu erkennen. Dazu organisierten die Schulen sowie der Landesverein Sächsischer Heimatschutz seit Ende des 19. Jahrhunderts Verkaufsschauen und Kunstgewerbe-Ausstellungen. Hier deklarierte man die Waren als erzgebirgische "Volkskunst", die von naiv urtümlicher Art sei und die altererbte, lokale Volksfantasie bewahrt hätte. Nach 1900 kam es zu Ausstellungen in Berlin und München. Das Erzgebirge war selbst auf der Weltausstellung in Paris 1937 vertreten. Überall konnte man das Publikum gewinnen, das nun die "echte Volks- und Heimatkunst" anderen Waren vorzog. Die Imagearbeit hatte Erfolg, weil man sich im Zuge der Industrialisierungs- und Gesellschaftskritik nach dem Ursprünglichen und Unverfälschten sehnte.

Nicht zu unterschätzen ist die Einbeziehung des Fremdenverkehrs. Denn die erzgebirgische "Volkskunst" wurde auch in Reiseführern oder auf der Leipziger Messe als Souvenirs angepriesen. Ferner gelang es, das Erzgebirge zum Spielzeug- und Weihnachtsland zu stilisieren. Dazu trugen vor allem die seit 1926 erschienenen Publikationen "Weihnachten bei den Spielzeugmachern" und "Das goldene Weihnachtsbuch aus dem Erzgebirge" sowie der 1932 gedrehte Film "Hänschen fährt ins Spielzeugland" bei.

 

An diesem Erfolg knüpfte später die DDR an, die gerade den Export forcierte, um Devisen einzunehmen. Und auch heute sind die Räucherfiguren nicht nur in Deutschland beliebt. Vor allem in den USA haben sie ihre Fangemeinde gefunden. Wen wundert's, haben die "Raachermannl" es doch in sich!

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