20.04.2010 - Schülerinnen und Schüler erforschen jüdische Schicksale

Neuss (PN/Sev). Die Geschwister-Scholl-Hauptschule in Norf und das Stadtarchiv Neuss führen zurzeit ein ambitioniertes Kooperationsprojekt aus der Reihe „Der Geschichte ein Gesicht geben“ durch.

Zirka 250 Schülerinnen und Schüler der Klassen sieben bis zehn erforschen in breit angelegter Form jüdische Schicksale während des Nationalsozialismus. Methodisches Ziel dabei ist es, durch das Kennenlernen von Schicksalen Gleichaltriger der Geschichte ein Gesicht zu geben, um das unfassbare Geschehen für heutige Jugendliche begreiflich zu machen. „Uns geht es darum, die Schüler nah an die Thematik heranzuführen. So können sie sich mit den Inhalten besser identifizieren“, erklärt Günter Simon, Initiator des Projektes und Religionslehrer an der Geschwister Scholl-Hauptschule seine Intention. Dabei geht es ihm nicht um die Schulung von Faktenwissen, sondern vor allem um die Entwicklung eines ‚Blickes nach vorn’. „Die Jugendlichen sollen hinschauen und lernen kritikfähig zu sein und nicht in die Fänge irgendwelcher Ratenfänger geraten. Das kann ein friedvolles, gerechteres Miteinander erst möglich machen“, so Simon weiter. Bewusst wird dafür das gewohnte „Lernumfeld“ verlassen, um an außerschulischen Orten möglichst viele Eindrücke sammeln zu können. So begeben sich die Schüler zum Beispiel im Neusser Stadtarchiv unter fachkundiger Anleitung von Dr. Annekatrin Schaller auf die Spuren jüdischer Kinder und deren Lebensgeschichte zwischen den Jahren 1930 und 1940. Dabei lernen sie auch „wie man kritisch mit Quellen – insbesondere mit denen aus der damaligen Zeit – umgeht“, beschreibt Schaller einen weiteren Lerneffekt.       

Auch auf künstlerischer Ebene wird sich dem Thema genähert: Ein Besuch der Ausstellung „Unter unerforschten Meteoren“ in der Recklinghausener Kunsthalle regt die Schülerinnen und Schüler zum Nachdenken über das Menschenbild in den Wer-ken der Expressionisten Ludwig Meidner und Ernst Barlach an. Beide wurden von den Nationalsozialisten als entartete Künstler diffamiert. Darüber hinaus führt ein historischer Stadtrundgang entlang der Neusser Stolpersteine, um Stätten jüdischen Lebens vor Ort zu erforschen. Den Abschluss des Projektes bildet der  Besuch eines der letzten noch lebenden Zeitzeugen des Vernichtungslagers Auschwitz. Vom 21. bis 28. April 2010 wird Zofia Lys aus Polen den Schülern aus eigenem Erleben über die schrecklichen Erfahrungen berichten, die sie von 1942 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges als Häftling in Auschwitz und anderen Konzentrationslagern machen musste. Neben den Schülern versucht Günter Simon mit persönlichen Gesprächen auch die Eltern für das Thema zu sensibilisieren. Das Projekt wird unterstützt von der Marion Dönhoff Stiftung, der Konrad Adenauer Stiftung, der evangelischen Kirche im Rheinland, dem Katholischen Fachseminar für Altenpflege und der Stiftung EVZ aus Berlin.
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