06.03.14 - Der Legionär als Leistungssportler

Neue Veröffentlichung behandelt Ausbildung, Ausrüstung, Ernährung und Physis römischer Soldaten

Die römischen Soldaten waren aufgrund ihrer guten Ausbildung und Ausrüstung den militärischen Gegnern des Imperiums überlegen, wie zahlreiche schriftliche Quellen belegen. Doch wie war es um die Physis der Soldaten bestellt? Was mussten sie leisten? Wie mussten sie sich ernähren, um leistungsfähig zu bleiben? Antworten auf diese Fragen liefert eine neue Veröffentlichung, die jetzt vom Archäologen des Neusser Clemens-Sels-Museum, Carl Pause, unter dem Titel „Der Legionär als Leistungssportler – Die Leistungen römischer Soldaten auf dem Prüfstand“ im Auftrag der Stadt Neuss herausgegeben wurde.  Inhaltliche Grundlage waren unter anderem Funde aus dem Neusser Legionslager.

Nicht jeder war für die römische Armee geeignet. „Bevorzugt wurden besonders große und robuste junge Männer, die sich als Berufssoldaten für eine Dienstzeit von mindestens 20 Jahren verpflichten mussten“, berichtet Carl Pause im Kapitel „Armatura et impedimenta. Die Ausrüstung der römischen Solda-ten.“ Rekruten wurden daher aus körperlich stark aktiven Be-völkerungsschichten, wie zum Beispiel Handwerker und Jäger, ausgewählt. Nur diese waren nach der damaligen Vorstellung  in der Lage, für die römische Armee (erfolgreich) zu kämpfen und nicht zuletzt die 30 bis 40 Kilogramm schwere Ausstattung über längere Distanzen zu transportieren.
Um geeignete Bewerber zu finden, gab es eine Kommission aus Offizieren, die Freiwillige nach einem strengen Auswahlverfahren selektierten. Dann folgte eine über mehrere Monate dauernde Ausbildung im Heer, in dessen Rahmen unter anderem ein anspruchsvolles ganzheitliches Training stattfand. Finales Ziel der Ausbildung war es, die angehenden Legionäre auf die typischen Belastungen wie marschieren, laufen, kämpfen und schwimmen vorzubereiten. Was  ein  antiker römischer Soldat dann zu leisten hatte, verdeutlicht der Beitrag „Belastungsprofil eines Legionärs: Eine sportwissenschaftliche Annäherung“ von Andreas Heinen und Sascha Severin. Hierzu musste ein Proband als römischer Legionär in kompletter Ausrüstung (Schwert, Speer, Schild, Kettenhemd, zwei Tuniken, Militärgürtel und ein Tragestab mit Bündel) einen sogenannten Stufentest auf einem Laufband absolvieren. Mit einer modernen leistungsdiagnostischen Methode (Atemgasanalyse) wurde unter anderem sein Kalorienverbrauch gemessen. Auf einer Distanz von 15 Kilometern bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von sieben Stundenkilometern wurden so knapp 1700 Kalorien verbrannt. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von elf Stun-denkilometern verbrauchte er auf der gleichen Distanz etwa 2700 Kalorien. Bekannt ist, dass Legionäre nicht selten Märsche von bis zu 30 Kilometern und mehr absolviert haben. Ein römischer Legionär konnte demnach also einen Verbrauch wie ein Hochleistungssportler, zwischen 8.000 und 10.000 Kalorien, haben – zum Beispiel vergleichbar mit einem Radrennfahrer bei der Tour de France. Neben dem physiologischen Erkenntnisgewinn unterstreicht das Experiment die Notwendigkeit einer aufwändigen Versorgungslogistik des römischen Heeres. So wurde bei Feldzügen ins Landesinnere immer versucht, in der Nähe von Flüssen zu bleiben, um die großen Mengen von benötigtem Getreide, beispielsweise für das kohlenhydratreiche Kommisbrot (panis militaris), durch Schiffe transportieren zu können. „Nur so war sichergestellt, dass der enorme Kalorienverbrauch gedeckt und das Heer kampffähig bleibt“ stellt Pause fest. Daneben waren Obst und Gemüse wichtig für die Vitaminversorgung der Soldaten. Funde aus dem Legionslager der Quirinusstadt belegen etwa die Zubereitung von Karotte, Kohl, Sellerie, Portulak, Mangold, Amarant, Pastinake und Feldsalat.
Im Kapitel „Märsche als Selbsterfahrung“ schildert der Historiker Norbert Mersch seine Eindrücke vom längeren Marschieren in voller Montur, die er unter anderem im Rahmen von zwei Tagesmärschen mit einer sogenannten „Römergruppe“ im Taunus gewinnen konnte. „Uns wurde schnell klar, welchen Anstrengungen die antiken römischen Soldaten ausgesetzt waren. Aber im Gegensatz zu ihnen wurden wir weder durch Schläge mit der vitis, dem Stab des Centurios, zu einer höheren Geschwindigkeit angetrieben, noch waren wir den Gefahren eines plötzlichen Angriffes ausgesetzt“, so Merschs Fazit.
Grundvoraussetzung für lange Märsche war neben einer durchtrainierten Physis auch eine entsprechende Bekleidung. Das Grundkleidungsstück der römischen Soldaten war die Tunica, ein aus zwei Stoffbahnen zusammengenähtes wadenlanges Obergewand aus verfilztem Wollstoff. Letzterer hat sich vor allem im Sinne einer „antiken Funktionsfaser“ bewährt, da er Nässe nicht so leicht aufnimmt und auch bei hohen Temperaturen klimatisierend wirkt. Im Kapitel „Überlegungen zur Rekonstruktion einer Militärtunika nach römischen Soldatengrabsteinen des 1. und 2. Jahrhunderts nach Christus“ stellt  Norbert Mersch sehr ausführlich dieses römische Kleidungsstück vor.

Das 47 Seiten starke Heft kann ab sofort zum Preis von 5,50 Euro im Clemens-Sels-Museum am Obertor erworben werden.
Eine Leseprobe gibt es im Internet unter www.neuss.de.