Stadthistorie

Vom Römerlager zur rheinischen Großstadt

Neuss gehört zu den ältesten Städten Deutschlands. Seine über 2000jährige Geschichte reicht zurück bis in die Römerzeit. Bereits zur Herrschaftsepoche Kaiser Augustus – also um 16 vor Christi Geburt – errichten die Römer südlich der heutigen Altstadt ein ausgedehntes Militärlager. Ihm folgt eine Zivilsiedlung auf dem Boden des heutigen Neusser Stadtzentrums, die sich schnell zum florierenden Handelsplatz entwickelt – eine Bedeutung, die Neuss bis in die Gegenwart nicht verloren hat.
Anfang des 12. Jahrhunderts schützt sich die Stadt mit den ersten Befestigungen – in weiser Voraussicht auf die kommende wechselvolle Geschichte. Ende des 19. Jahrhunderts beginnt in Neuss – nach dem Ausbau des Hafens – ein bemerkenswerter industrieller Aufschwung.Heute ist Neuss eine moderne Großstadt mit 150.000 Einwohnern, florierender Wirtschaft und beredten Zeugen einer bewegten Vergangenheit …

Die Römerzeit

Die Geschichte der Stadt Neuss reicht bis in die Zeit des Kaisers Augustus zurück und zählt neben Augsburg und Trier zu den ältesten drei Ansiedlungen. Funde roter Tonware (arentinischer Sigillata) belegen die Anfänge des ältesten Römerlagers an der Erftmündung für das Jahr 16. v. Chr. Die römischen Anlagen bestanden aus neun aufeinander folgenden Legionslagern unterschiedlicher Größe und einem Annexlager. Diese Lager bildeten mit einem Lagerdorf, mit Handwerkern und Händlern für den Truppenbedarf, den römischen Militärbezirk Novaesium (beinhaltet das lateinische Wort novio = neu und bedeutet eventuell Neulager).

Noch heute kann man im ehemaligen Lagerbereich (Gnadental) eine Kybele-Kultstätte aus dem 4. Jh., den Taufkeller der großen Göttermutter, bewundern. Neuss hatte nicht den Status einer Provinzhauptstadt wie Trier, Mainz und Köln, gehörte jedoch mit Xanten, Bonn, Koblenz, Andernach und Boppard zu den wichtigsten Lager- und Kastellorten der Römerzeit.
Die schon für das 1. Jh. n. Chr. bekundete Zivilsiedlung mit Handwerkern und Fernhändlern hat die Römerzeit überdauert.

Das Mittelalter

In fränkischer Zeit wurde Neuss aufgrund der hervorragenden Lage mit Hafen und Fähre sowie der Kreuzung der großen Rheintalstraße mit West- und Ost-Straßen immer größer. In den Jahren 863 und 881 wurde die Stadt Opfer der Normanneneinfälle.
Um die Mitte de 10. Jh. fiel Neuss an die Kölner Kirche. Die Bedeutung von Neuss als kirchlichem Vorort reicht jedoch schon in die Karolinger Zeit zurück. 1962 legte der Archäologe Hugo Borger unter dem Quirinus-Münster die Fundamente einer karolingischen Kirche frei. Die Kirche entwickelte sich von der Pfarrkirche zum Gotteshaus des Benediktinerinnenklosters um 950 n. Chr. Um diese Zeit begann, nach der Überführung der Gebeine des Märtyrers und Tribuns Quirinus von Rom nach Neuss, die Heiligenverehrung, die sich weit bis ins Hunsrück, nach Benelux und noch weiter hinaus verbreitete. Für das Jahr 1646 sind „große Wallfahrten, auch von ausländischen Völkern“ (nach Merian) nach Neuss bezeugt.

Die Wirtschaftskraft der Stadt war für ihre Entwicklung ebenfalls von großer Bedeutung. Der Weinhandel von der Mosel und dem Mittelrhein in die Niederlande, sowie die Landwirtschaft (Getreide- und Viehhandel) waren die Pfeiler des Wirtschaftslebens. Ein Markt dürfte schon früh bestanden haben, wird jedoch erst für das Jahr 1138 erstmalig urkundlich bezeugt. Die Stadtwerdung Neuss ist in einer Urkunde für 1190 belegt. Im 12. Jh. entstand das Stadtsiegel mit dem hl. Quirinus und der Umschrift „Neuss, der heiligen kölnischen Kirche getreue Tochter“. Mit diesem Siegel ahmte Neuss das stolze Kölner Siegel in Bild und Umschrift nach und bezeugte damit das starke Selbstbewusstsein der Stadt. Über die Städte des Niederrheins hatte Neuss den Rang des Oberhofs über die Gerichte der Städte. Als wichtigstes Indiz der Stadtwerdung muss die erste Neusser Stadtbefestigung aus der 2. Hälfte des 12. Jh. gelten.
1474/1475 entfachte ein Krieg mit Karl dem Kühnen, dem Herzog von Burgund. Die Neusser kämpften gegen die Ausgliederung aus dem Deutschen Reich und widerstanden der Belagerung fast ein Jahr lang. Nach dem Abzug der Truppen wurden sie von Kaiser Friedrich III. für ihren Mut belohnt. Zollvergünstigungen, die Rechte einer Hansestadt, ein neues Wappen mit Reichsadler und Kaiserkrone sowie das Münzrecht vergrößerten die Macht der Stadt und die Unabhängigkeit gegenüber den Landesfürsten.

Im späten Mittelalter erreichte Neuss mit dem Fernhandel von Woll- und Leinenprodukten, Brauereiprodukten, Honigkuchen und Lederwaren seine wirtschaftliche Blütezeit. Hauptsächlich handelten die Neusser, wie schon im Hochmittelalter, mit Wein, Getreide und Vieh. Vor allem die Hansestädte, Niedersachsen, Westfalen, Mittel- und Süddeutschland sowie Holland waren Hauptabnehmer der Handelsware.
Im 16. Jh. wurde Neuss im Kölnischen Krieg zwischen Bayern und Spanien durch die Spanier erobert. Zwei Drittel der Stadt wurden durch einen großen Brand 1586 vernichtet. Die Besatzung der mit Frankreich verbündeten Hessen von 1642 bis 1651 und die verschiedenen Kriege im Zeitalter König Ludwigs XIV. von Frankreich brachten Neuss in eine sehr schlechte finanzielle Lage. Durch Kriegssteuern und die andauernde Besatzung wuchs die Schuldenlast erheblich an und schadete der weiteren Entwicklung der Stadt. Dadurch verlor der Standort Neuss sowohl seine Bedeutung als Handelszentrum wie auch seinen kirchlichen Einfluss. Seit Mitte des 17. Jh. wurde Neuss auf seine ackerbauliche Produktion reduziert. Erst im 19. Jh. konnte sich die Stadt wirtschaftlich erholen.

Die Franzosenzeit

Unter der Fremdherrschaft der Franzosen ab 1794 kamen nicht nur die Besatzer und die Kriegssteuern, sondern es wurde auch ein straff organisiertes Verwaltungssystem und das französische Recht eingeführt. Französisch wurde Amtssprache und die Vorrechte der Stände entfielen. Viele wünschten sich eine Loslösung von Frankreich und einen Wiederaufbau des Kur-Kölns. Neuss war Vorort eines Kantons, einer Unterabteilung der Arrondissements (franz. Verwaltungsbezirke). An die Stelle der kollegialen Gemeindeverwaltung trat ab 1800 ein Bürgermeister, der Maire, als Organ der unmittelbaren Staatsverwaltung. Das vertrieb den „Fetzer“ und seine Räuberbande, die sich bis dahin in Neuss sicher gefühlt hatten, nach Neuwied.
Das wichtigste Ereignis in der Franzosenzeit war der von Kaiser Napoleon angeordnete Bau des Nordkanals, der seit 1803 geplant und ab 1808 durchgeführt wurde. Von Grimlinghausen aus sollte eine Verbindung zwischen Rhein, Maas und Schelde entstehen. Der Bau wurde jedoch schon 1810 wieder gestoppt, da Frankreich durch die Annexion Hollands Häfen an Maas und Rhein gewonnen hatten. Im Jahr 1814 ging die Herrschaft der Franzosen zu Ende. Bis zum Wiener Kongress 1815 und der damit verbundenen Neuordnung der Länder blieb Neuss im Generalgouvernement Niederrhein.

Von der Preußenzeit bis heute

1815 fielen die Rheinlande an das Königreich Preußen. Aus der französischen Mairie Neuss wurde die preußische Bürgermeisterei und aus dem Kanton Neuss wurde der Kreis Neuss mit den Bürgermeistereien Neuss, Dormagen, Nettesheim, Nievenheim, Rommerskirchen und Zons. Zu dieser Zeit lebten in Neuss ca. 6.333 Einwohner. Die Stadterweiterung erfolgte nach dem ersten Weltkrieg vor allem im Bereich des 1835 – 1837 ausgebauten Erftkanals und der Eisenbahn, ab 1853. Zu dieser Zeit zählte Neuss etwa 9.000 Einwohner. Im Zuge der Industrialisierung erhöhte sich die Zahl bis 1880 auf 17.500 Einwohner. Stärker als die Textilfabriken wuchs seit 1813 die Ölindustrie (Öl aus Raps und Rüben). Im Brockhaus von 1846 wurden die Neusser Ölmühlen als die bedeutendsten in Deutschland bezeichnet. Die Ölmühle Casper Thywissen galt 1864 als die größte in Deutschland. Zudem gewann das Banken- und Finanzwesen immer mehr an Bedeutung. Die 1881 gegründete „Feuer-Versicherungs-Gesellschaft Rheinland“ besteht noch heute als „RheinLand Versicherungs AG Neuss“. Der Hafen war für die Neusser Wirtschaft besonders wichtig. Seit 1840 transportierten Schiffe Steinkohle, Holz, Baustoffe und Steine. Nach der Jahrhundertwende wurden Teile von Heerdt, Büderich und Kaarst und später (1929) Grimlinghausen, Uedesheim und Weckhoven eingemeindet. 1975 folgten Grefrath, Holzheim, Hoisten, Norf, Rosellen, Speck, sowie weitere Teile von Kaarst und Meerbusch. Die Einwohnerzahl, im Jahr 1910 noch 40.000, stieg bis 1963 auf 100.000 und bis heute auf 150.000. Das Stadtgebiet vergrößerte sich von rund 30 auf heute 100 km².